Die:den passende:n Therapeut:in finden: Welche Faktoren den Therapieerfolg beeinflussen & wie du die richtige Person dafür erkennst.

Die Entscheidung, psychologische Hilfe in Anspruch zu nehmen, ist ein mutiger Schritt – manchmal sogar der erste auf dem Weg zu Heilung und Veränderung. Doch kaum ist dieser Entschluss gefasst, steht man vor der nächsten Herausforderung: Wie findet man die richtige Person für diesen so persönlichen Prozess? Der:die passende Therapeut:in kann einen entscheidenden Unterschied machen – nicht nur in der Art, wie wir uns verstanden fühlen, sondern auch darin, wie erfolgreich eine Behandlung verläuft.
In diesem Beitrag schauen wir uns an, welche Faktoren den Therapieerfolg beeinflussen, wie man den oder die passende:n Therapeut:in findet, und was du tun kannst, wenn du das Gefühl hast, es passt (noch) nicht ganz.
1. Der wichtigste Faktor: Die therapeutische Beziehung
Die:den passende:n Therapeut:in finden: Zahlreiche psychologische Studien zeigen, dass die Beziehung zwischen Therapeut:in und Klient:in einer der stärksten Prädiktoren für den Erfolg einer Therapie ist – oft sogar wichtiger als die gewählte Methode oder Technik.
Der amerikanische Psychotherapieforscher Bruce Wampold (2001) fand heraus, dass bis zu 30 % des Therapieerfolgs auf die Qualität der therapeutischen Beziehung zurückzuführen sind. Das bedeutet: Ob Verhaltenstherapie, tiefenpsychologische Therapie oder systemische Beratung – entscheidend ist, wie wohl und sicher du dich fühlst.
Hier die wichtigsten Zahlen:
- 40 % des Therapieerfolgs hängen laut dem bekannten „Common Factors Model“ (Michael J. Lambert, 1992) von außertherapeutischen Faktoren ab (z. B. soziale Unterstützung, Lebensumstände).
- 30 % werden dem Beziehungsfaktor zugeschrieben – also wie gut die therapeutische Allianz zwischen Therapeut:in und Klient:in ist.
- 15 % liegen an Erwartungen und Placeboeffekten.
- Weitere 15 % entfallen auf konkrete Methoden oder Techniken der Therapie.
Die therapeutische Beziehung macht also rund ein Drittel des Erfolgs einer Psychotherapie aus – sie ist also der stärkste einzelne Wirkfaktor innerhalb der Therapie selbst.
Woran erkenne ich eine gute therapeutische Beziehung?
- Du fühlst dich verstanden und ernst genommen.
- Deine Therapeutin / dein Therapeut hört aktiv zu und wertet nicht.
- Du darfst Zweifel, Kritik und eigene Gedanken äußern.
- Du hast das Gefühl, dass ihr gemeinsam arbeitest – nicht, dass dir etwas „übergestülpt“ wird.
- Du kannst auch schwierige oder peinliche Themen ansprechen.
Therapie ist kein Monolog, sondern ein Dialog. Ein Raum, in dem Vertrauen wächst. Und dieses Vertrauen ist die Grundlage für Heilung.
2. Interventionen vs. Beziehung – was wirkt wirklich?
In der Psychotherapieforschung spricht man oft von „gemeinsamen Wirkfaktoren“ – das sind die Elemente, die unabhängig von der Therapierichtung dazu beitragen, dass Menschen sich besser fühlen.
Neben der Beziehung zählen dazu:
- Hoffnung und Erwartung (der Glaube daran, dass Veränderung möglich ist)
- Selbstwirksamkeit (das Gefühl, etwas selbst bewirken zu können)
- Emotionale Aktivierung (Kontakt zu Gefühlen, Einsichten, Motivation)
- Klare Struktur und Zielorientierung
Die spezifischen Interventionen – also die konkreten Methoden oder Techniken – spielen natürlich ebenfalls eine wichtige Rolle.
Egal, wie unterschiedlich therapeutische Ansätze auch sind, ohne tragfähige Beziehung verpuffen die besten Interventionen.
3. Kriterien bei der Therapeut:innenwahl
1. Fachrichtung und Qualifikation
In Österreich, Deutschland und der Schweiz gibt es geschützte Berufsbezeichnungen. Achte darauf, dass deine zukünftige Therapeutin oder dein zukünftiger Therapeut eine staatlich anerkannte Ausbildung absolviert hat.
- Klinische Psycholog:innen / Psychotherapeut:innen: Befugt zur Diagnose und Behandlung psychischer Erkrankungen.
- Psychologische Berater:innen / Coaches: Fokus auf Lebensberatung, weniger auf klinische Störungen.
- Fachärzt:innen für Psychiatrie und Psychotherapie: Kombination aus medizinischer und psychotherapeutischer Behandlung.
Erkundige dich auch nach dem Therapieverfahren – etwa Verhaltenstherapie, systemische Therapie, personzentrierte Psychotherapie oder Gestalttherapie. Jedes Verfahren hat eigene Schwerpunkte.
Manche Menschen fühlen sich mit einem strukturierten, zielorientierten Ansatz wohler, andere suchen eher emotionale Tiefe und Selbsterkenntnis.
2. Persönliche Passung
Therapie ist zutiefst persönlich. Neben fachlicher Kompetenz ist es daher entscheidend, dass du dich auf menschlicher Ebene wohlfühlst.
Frage dich nach den ersten Sitzungen:
- Fühle ich mich verstanden und sicher?
- Kann ich auch über Scham, Wut oder Verletzlichkeit sprechen?
- Habe ich das Gefühl, dass meine Therapeutin / mein Therapeut mich sieht, nicht nur meine Symptome?
- Fühle ich mich respektiert, auch wenn wir unterschiedlicher Meinung sind?
Wenn du nach drei bis vier Sitzungen das Gefühl hast, es „funkt“ nicht – darfst du das offen ansprechen oder dir eine andere Begleitung suchen. Das ist kein Versagen, sondern Selbstfürsorge.
3. Praktische Faktoren
- Ort und Erreichbarkeit: Präsenz- oder Online-Termine? Wie weit ist die Praxis entfernt?
- Kosten & Kostenzuschuss: Wird die Therapie von der Krankenkasse teilweise übernommen?
- Sitzungshäufigkeit: Wöchentliche Termine oder in größeren Abständen?
- Spezialisierungen: Arbeit mit bestimmten Themen (z. B. Trauma, Depression, Burnout, Paartherapie)?
Diese organisatorischen Aspekte können auf lange Sicht entscheidend sein, ob du dranbleiben kannst.
4. Der erste Eindruck zählt – und darf sich ändern
Die erste Sitzung ist oft aufregend. Man weiß nicht genau, was einen erwartet, und manchmal fühlt man sich verletzlich oder unsicher. Das ist völlig normal.
Nutze die ersten Termine, um herauszufinden, ob du dich emotional sicher fühlst.
Beachte dabei:
- Manchmal braucht Vertrauen Zeit.
- Nicht jede ehrliche Konfrontation bedeutet, dass es „nicht passt“.
- Andererseits: Wenn du dich dauerhaft klein, bewertet oder unwohl fühlst – ist das ein Warnsignal.
Therapie soll ein Raum sein, in dem du wachsen darfst, nicht einer, in dem du dich anpassen musst.
5. Wenn es (noch) nicht passt
Nicht jede therapeutische Beziehung ist ein Match – und das ist in Ordnung.
Manche Menschen finden beim ersten Versuch ihre ideale Begleitung, andere müssen mehrere Anläufe nehmen.
Wenn du dich unsicher fühlst, kannst du Folgendes tun:
- Sprich dein Unbehagen offen an – oft kann das Missverständnisse klären.
- Bitte um eine gemeinsame Reflexion: Wie fühlt sich die Zusammenarbeit an? Gibt es Themen, die du vermisst?
- Wenn du entscheidest, zu wechseln, kannst du den Prozess gemeinsam mit dem:der Therapeut:in abschließen.
Eine gute Therapeutin oder ein guter Therapeut wird das nicht persönlich nehmen, sondern respektieren, dass es um dein Wohlbefinden geht.
6. Online- oder Präsenztherapie?
Gerade in den letzten Jahren hat die Online-Therapie enorm an Bedeutung gewonnen. Videocalls, Audiocalls und Chat-Settings bieten neue Möglichkeiten, besonders für Menschen, die z.B. in Gegenden mit geringer Infrastruktur leben oder sich in einem vertrauten Umfeld sicherer fühlen.
Studien (z. B. Andersson et al., 2014) zeigen, dass Online-Therapie vergleichbar wirksam sein kann wie klassische Face-to-Face-Therapie – vorausgesetzt, es besteht eine stabile therapeutische Beziehung.
Vorteile:
- Flexibilität & Ortsunabhängigkeit
- Niedrigere Hemmschwelle
- Möglichkeit, Gedanken vorher schriftlich zu formulieren
Wichtig ist auch hier die Beziehungsqualität. Auch über den Bildschirm ist Empathie spürbar und wirkt Beziehung.
7. Der Einfluss der Persönlichkeit
Auch die eigene Persönlichkeit spielt bei der Wahl der:des passenden Therapeut:in eine Rolle.
Menschen, die eher analytisch denken, profitieren oft von strukturierten Methoden; Menschen mit kreativer oder emotionaler Prägung fühlen sich vielleicht in erlebnisorientierten Verfahren wohler.
Die:den passende:n Therapeut:in finden: Therapie darf sich richtig anfühlen – sie ist kein Einheitsprodukt, sondern eine individuelle Begegnung.
8. Therapie ist Kooperation, kein Konsum
Therapie wirkt nicht, weil jemand etwas „mit dir macht“, sondern weil ihr gemeinsam an Veränderung arbeitet. Die Forschung spricht hier von der therapeutischen Allianz – einem gemeinsamen Verständnis von Ziel, Aufgabe und Beziehung. Je aktiver du dich einbringst, desto mehr profitierst du.
Diese Haltung hilft, Eigenverantwortung zu übernehmen und die erarbeiteten Erkenntnisse auch im Alltag umzusetzen.
9. Wann psychologische Therapie besonders sinnvoll ist
Therapie kann in sehr unterschiedlichen Lebensphasen hilfreich sein – nicht nur bei klinischen Diagnosen.
Sie unterstützt bei:
- Depressionen, Angstzuständen, Traumata
- Beziehungs- und Familienkonflikten
- Lebenskrisen, beruflichem Stress, Burnout
- Identitätsfragen und persönlicher Weiterentwicklung
Auch wenn du „nur“ das Gefühl hast, etwas stimmt nicht ganz, kann es wertvoll sein, das gemeinsam zu erforschen.
10. Fazit: Der Weg lohnt sich
Die:den passende:n Therapeut:in finden: Die Suche nach der passenden Therapeutin oder dem passenden Therapeuten kann herausfordernd sein – und doch ist sie der Schlüssel zu einem Prozess, der dein Leben verändern kann.
Vertraue auf dein Gefühl. Lies nach, frage nach, probiere aus. Und erinnere dich: Es geht nicht darum, die perfekte Person zu finden, sondern jemanden, mit dem du gemeinsam wachsen kannst. Wenn du dich verstanden fühlst, darf Heilung beginnen. Und manchmal ist genau das – das Gefühl, gesehen zu werden – der Beginn einer neuen, heilsamen Geschichte.
Möchtest du diese Geschichte mit mir gemeinsam schreiben? Lass uns gerne im kostenlosen Erstgespräch darüber sprechen!
Quellen:
- Wampold, B. E. (2001). The Great Psychotherapy Debate. Mahwah, NJ: Lawrence Erlbaum Associates.
- Lambert, M. J. & Barley, D. E. (2001). Research summary on the therapeutic relationship and psychotherapy outcome. Psychotherapy, 38(4), 357–361.
- Andersson, G., Cuijpers, P., Carlbring, P., et al. (2014). Guided Internet-based vs. face-to-face cognitive behavior therapy. World Psychiatry, 13(3), 288–295.
- Norcross, J. C. & Lambert, M. J. (2018). Psychotherapy relationships that work. Oxford University Press.
- Lambert, M. J. (1992). Psychotherapy outcome research: Implications for integrative and eclectic therapists. In J. Norcross & M. Goldfried (Eds.), Handbook of psychotherapy integration.
- Norcross, J. C., & Wampold, B. E. (2011). Evidence-based therapy relationships. APA Press.